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KAMERABEDINGTE BILDFELDWÖLBUNG
Bildfeldwölbung: Herkunft von Objektiv oder Kamera?
Die Bildfeldwölbung ist eine Erscheinung, bei dem - bei einer Fokussierung auf die Bildmitte - die Ränder der Bilder unscharf dargestellt werden, da das Bild nicht als plane, sondern als gewölbte Fläche abgebildet wird.
Die klassische Optik geht davon aus, dass Bildfeldwölbung eine Eigenschaft / ein Problem eines Objektives ist, und das war lange Zeit so richtig.
Zu Zeiten der Digitalfotografie hat sich das geändert. Ein Hersteller xy baut mit hohem Aufwand ein Objektiv, und ein "dahergelaufener" Fotojournalist unterstellt diesem Objektiv eine starke Bildfeldwölbung. Was ist passiert? Kann der renommierte Hersteller xy keine Objektive mehr bauen, ist unfähig, dieses Problem zu lösen? Sicher nicht, die Ursache liegt woanders. Früher war nicht alles besser, aber manches einfacher. Zwischen Objektiv und Film war kein störendes weiteres Medium, nur die bekannte Luft. Heute liegt vor dem Chip ein Sandwich aus mehreren optischen Medien, in der Hauptsache sind dies 3 Schichten:
- eine dünne Platte aus doppelbrechendem Kristall
- eine zweite dünne Platte aus doppelbrechendem Kristall, um 90 Grad gedreht ( 1 plus 2 machen den AA- / Tiefpassfilter aus )
- eine dritte dünne Platte aus infrarotabsorbierendem Glas.
Die Reihenfolge der Funktionen 1 bis 3 kann physisch auch 1 - 3 - 2 sein. Das ist allerdings in der Auswirkung auf die Bildfeldwölbung irrelevant.
Dieses Sandwich ist evtl noch mit einer Oberflächenbedampfung/Interferenzfilter versehen, welche die Wirkung von Funktion 3. steigert als
IR-reflektierende Schicht
(Hot Mirror)
Jetzt ist entscheidend, wie dick diese Schicht insgesamt ist und welchen mittleren Brechungsindex sie hat. Je nach Kamerahersteller und Modell reden wir von ca. 1-3 mm Stärke, multipliziert mit einem optischen Brechungsindex von mindestens n=1,5 ist das eine optische Weglänge von 1,5 bis 4,5mm. Nun wird dieses Glaspaket nicht rein axial durchsetzt, sondern für die Bildecken des Chips auch schräg. In den Bildecken kommen schräge Abbildungsstrahlen von 30 Grad Abweichung vom Lot durchaus vor. Jetzt ist praktisch das Hauptproblem:
Durch das plane Filterpaket findet zwar keine Verlängerung des geometrischen, wohl aber des optischen Weges statt. Wenn man für das Licht eine Strecke von z.B. 2mm in Luft durch Glas ersetzt, wird der optische Weg um 2mm x Brechungsindex des Mediums, also ca 3mm, länger. Durch Umfokussieren ist dies in der Bildmitte kompensierbar. Diese optische Wegverlängerung fällt aber in den Bildecken durch den schrägen Durchsatz / längeren Weg des planen Glas-Paketes deutlich grösser aus als in der Bildmitte, und dies bewirkt dann eine Defokussierung der Ecken.
Wenn man nun den worst case rechnet, 1mm dünnes oder 3mm dickes Filterpaket, ergibt sich eine relative Fokusdifferenz Mitte zu Ecke von über 0,5mm. Das ist mehr als zehnmal so viel, wie eine tolerierbare axiale Fokusdifferenz für eine APS-C oder Kleinbildkamera (FF) betragen darf. Je höher die Lichtstärke des Objektives, desto eher wird dieser Fehler auffallen, also bei Blende 1,4 viermal so stark wie bei Blende 5,6.
Wie soll ein Objektivkonstrukteur sich darauf einstellen? Tester nehmen "ihre" Kamera als normal an, aber wer kennt sich aus mit physikalischer Optik? Mein Statement ist: die heute gelegentlich monierte Bildfeldwölbung der Objektive ist in Wirklichkeit ein Problem wechselnder Kameragehäuse. Nun hilft die Geheimniskrämerei der Kamerahersteller nicht, dieses Dickicht zu lichten. Auch ein einzelner Hersteller durchläuft Entwicklungsstadien, und eine digitale SLR von vor 5 Jahren ist mit einer heutigen SLR nicht mehr vergleichbar im Bezug auf das Filtersandwichpaket vor dem Chip.
Der tatsächlich realisierte Filteraufbau je Kameramodell hat auch mit den Eigenschaften von CCD- und CMOS-Sensoren zu tun, die aufgrund unterschiedlicher spektraler Empfindlichkeiten andere Anforderungen an den IR-Sperrfilter haben, damit die Farbwiedergabe unserer Farbwahrnehmung entspricht. Mit der Steigerung der Pixeldichte geht weiter eine Anpassung der Grenzfrequenz des AA- / Tiefpassfilters einher, was wiederum auch Dickenänderungen erfordert. Abgesehen von den optischen Eigenschaften sind an Filter und Chip weitere Mechanismen zu Staubentfernung und Sensorreinigung gekoppelt, die je nach Hersteller anders ausfallen und ganz unterschiedliche Bauarten der Filterpakete bedingen (Pentax 'verklebt' gern, Canon hat zum Teil für jedes Plättchen Einzelfassungen)
siehe Canon:
http://g-ecx.images-amazon.com/images/G/03/electronics/detailpage/800/canon/550D/1000d_sensor_clean_lg.jpg
siehe Nikon
http://www.ephotozine.com/articles/nikon-d800-vs-d800e-digital-slr-review-19764/images/nikon-d800e-filter.jpg
http://photographylife.com/wp-content/uploads/2012/02/Nikon-D800-vs-D800E-Low-Pass-Filter.jpg
Dazu ein einfaches Beispiel: ein älteres Sigmazoom 17-70mm ist auf einer ebenfalls älteren Pentax K100 (CCD-Sensor, 6MP) prakisch frei von Bildfeldwölbung. Auf einer aktuellen Pentax K-5 (CMOS-Sensor, 16 MP) ist die Bildfeldwölbung bei Offenblende sichtbar. Wie soll das erst aussehen, wenn man von Pentax zu Nikon oder Canon wechselt? Da macht doch jeder, was er will, aber keiner sagt, was er macht.
Klassisch ist Bildfeldwölbung ein optischer Fehler, der mit relativ einfachen Mitteln korrigierbar ist. Wenn teure Objektive vermeintlich diesen "Fehler" zeigen, ist dies ein Ausdruck dafür, dass der Optikrechner schlichtweg nicht weiss, auf welche Gegebenheiten, dünner oder dicker AA+IR-Sperrfilter, er sich einstellen muss. Also hilft nur, den Einzelfall auf Eignung zu prüfen. Im Prinzip gehen noch mehr "Objektiv-Abbildungsfehler" auf das Konto von in der Stärke unberechenbarer Filtersandwichs, wie zum Beispiel Astigmatismus und Koma, aber die Bildfeldwölbung ist immer das erste und grösste Opfer. Im Bildraum (d.h. hinter dem Objektiv) darf nicht unkontrolliert herumgepfuscht werden!
In der Mikroskopie gibt es einen Standard: Deckgläser zum Fassen des Objektes sind 0,17mm stark, also genormt. In der digitalen Fotografie fehlt ein entsprechender Standard. Es gibt eine Menge guter Objektive, für die es sich lohnt, herauszufinden, für welche Filterpaketdicke sie gedacht sind, weil sie darauf optimal funktionieren. Da für die Infrarotfotografie noch mehr als sonst eine gute Abbildung bei relativ grossen Öffnungen nötig gebraucht wird, ist eine Optimierung hier lohnend.
p.s. Es besteht der "Verdacht", dass wenn ein seriöser Kamerahersteller von Modell A (dickeres Filtersandwichpaket) auf Modell B (merklich dünneres Sandwichpaket) wechselt, aber nicht möchte, eine einmal gefundene Korrektur der Bildfeldwölbung wieder zu verlieren, ein einzelnes Element des Filterpaketes nicht als Planscheibe, sondern als schwache plankonkave Linse ausgeführt wird. Das ist schlau! Wer ausgebaute Filterpakete scharf ansieht, könnte zu diesem Schluss gelangen!
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